Le Pin, Pomerol

Der phänomenale Aufstieg vom „Vin de Garage“ zum gefeierten Kultwein.

Kein Bordeaux-Weingut hat in den letzten Jahrzehnten einen rasanteren Aufstieg erlebt als Le Pin. Der anfangs auch von Weinjournalisten kaum beachtete 1982er kostete en primeur gerade mal fünfundsiebzig Francs, was in etwa zwölf Euro entspricht. Heute wird dieser Jahrgang zu sagenhaften zehntausend Euro die Flasche gehandelt.

Um meine reservierten Bordeauxweine des Jahrgangs 1979 abzuholen, besuchte ich im Sommer 1983 den belgischen Weinhändler Gérard Thienpont in Etikhove. Das beschauliche Dorf befindet sich in den sanften Ausläufern der flämischen Ardennen. Neben seinem Weinhandel in Belgien ist Thienpont auch Mitinhaber des angesehenen Pomerol-Weingutes Vieux Château Certan, wo ich ihn im Herbst 1982 kennengelernt hatte.

https://beeldbank.onroerenderfgoed.be/images/217763/content/medium
Hof te Catebeke, Etikhove

Noch vor dem Mittagessen, in Erinnerung geblieben ist eine phantastische, hausgemachte Terrine de Foie Gras, bat mich Gérard Thienpont zu einer kleinen Verkostung in die Bibliothek des Hofgutes te Catebeke. Auf dem Tisch standen drei sorgfältig verhüllte halbe Bordeauxflaschen. „Sagen Sie mir bitte, welcher der Weine Ihnen am besten gefällt, Monsieur Diel, sie stammen alle aus dem Jahr 1979.“ Ich schnupperte an den Gläsern, verkostete die Weine und traf relativ schnell meine Wahl. Getreu der alten Verkoster-Regel, dass der erste Eindruck oft der Richtige ist, entschied ich mich ganz spontan für die folgende Reihenfolge: In Glas Nummer drei befand sich mein absoluter Favorit, in Glas Nummer zwei der Zweitbeste und in Glas Nummer eins der schwächste Wein!

Gérard Thienpont lächelte verschmitzt und enthüllte die Flaschen. Auf den letzten Platz hatte ich Vieux Château Certan gepunktet, jenes traditionsreiche, seit 1924 im Besitz der Familie Thienpont befindliche Pomerol-Gut, dessen Flaschen man schon von weitem an den außergewöhnlichen rosafarbigen Kapseln erkennt. Auf dem zweiten Platz stand Château Pétrus, das vielleicht berühmteste aller Bordeaux-Güter, welches ich einige Jahre zuvor demütig besichtigen durfte, dort aber keinen einzigen Schluck zu Verkosten bekam. Das Etikett des Siegers hatte ich noch nie zuvor gesehen: Le Pin!

„Das ist ein kleines, nur ein Hektar Rebfläche umfassendes Weingut in Pomerol, das meinem Neffen Jacques und mir gehört,“ erläutert Gérard Thienpont, „dies ist der erste Jahrgang.“ Ich war beeindruckt und nahm mir im Stillen vor, zukünftig Weine dieses völlig unbekannten Weingutes für meinen privaten Weinkeller einzukaufen, zuvor aber wollte ich mich erst einmal vor Ort umsehen.

Le Pin – eher Garage als Weingut

In Pomerol suchte ich vergeblich nach einem Hinweisschild, welches mir den Weg zu einem Weingut namens Le Pin hätte weisen können. Erst die detaillierten Erläuterungen von Alexandre Thienpont, der 1983 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Léon auf Vieux Château Certan angetreten hatte und sich seitdem nebenher auch um Le Pin kümmert, führten mich zu einem kleinen Häuschen, in dessen Schuppen sich ein Dutzend komplett neuer Barrique-Fässer befand. Ich kostete den Jahrgang 1982 vom Fass und war schlichtweg von den Socken: Welch ein berückendes Bukett, was für eine großartige Frucht!

Damals umfasste die fast ausschließlich mit Merlot bepflanzte Rebfläche gerade einmal zehntausendsechshundert Quadratmeter. Nach Zukäufen von Weinberge in den Jahren 1984, 1985 und 1991 verdoppelte sich das Areal nahezu auf zwei Hektar, welches sich nun in einem zusammenhängenden Gelände gruppiert, umgeben von berühmten  Nachbarn wie Trotanoy, Petit Village und Vieux Château Certan. Aufgrund der Vergrößerung der Rebfläche wurde 1988 ein neuer unterirdischer Keller gebaut, der spielend die Erntemenge von zwei Jahrgängen aufnehmen konnte.

Der durchschnittliche Ertrag lag Anfang der 1990er Jahre bei etwa siebentausend Flaschen. Das Gros der Weine ging damals nach England und in die Benelux-Staaten, nennenswerte Mengen verblieben aber auch in Frankreich. Daneben zählten vor allem die Deutschen und die Schweizer zu den treuen Abnehmern.

Treffen mit Singapurs Dr. Wine

Ein gutes Jahr danach, im Juli 1994, war ich mit dem österreichischen Koch Johann Lafer und den Nahe-Winzerkollegen Helmut Dönnhoff sowie Egbert Graf von Plettenberg auf Promotion-Tour in Singapur. Mit dabei war auch noch Stephan Graf von Neipperg, Inhaber von Canon-La-Gaffelière in Saint Emilion. Bei einem Gala-Dinner im berühmten Raffles Hotel lernte ich Dr. Nen-Kyong Yong kennen, seinerzeit Chirurg am Mount Elizabeth Medical Centre und die unumstrittene Weinautorität des Stadtstaates. Den früheren Swimming Pool in seiner Villa hatte der weinafine Doktor zu einem prächtig bestückten Weinkeller umfunktionieren lassen.

Von Nahewein kam das Gespräch schnell zu den besten Weinen der Welt und wir landeten schließlich bei Dr. Yongs Lieblingswein, Château Pétrus. Daraufhin erzählte ich ihm meine Geschichte aus dem Jahr 1983 und mein inzwischen ausgeprägtes Faible für Le Pin. Davon habe er gehört, gewiss, und auch schon mal getrunken, aber an Pétrus komme er bei aller Liebe doch wirklich nicht heran, dozierte „N.K.“, wie Freunde Dr. Yong kurz zu nennen pflegen. Ich hielt dagegen! In angeregter Stimmung wurde diskutiert, welcher dieser beiden Pomerols denn nun der Bessere sei und man verabredete am Ende des Abends, im nächsten Jahr eine große Blindverkostung „Pétrus gegen Le Pin“ zu organisieren, wenn N.K. seine tournusgemäße Europareise macht. Yong bringe die Flaschen von Pétrus mit, ich könne dann– falls ich mich tatsächlich traute – die Gegenstücke von Le Pin beisteuern. Top – die Wette galt!

Showdown am Niederrhein

Ein weiteres Jahr danach, im September 1995, ist es so weit: Eine Dame, N.K. Youngs Ehefrau Melina, und zehn Herren treffen sich zu einer Verkostung von Bordeaux-Rotweinen, wie es sie in dieser Form noch nie gegeben hat und in dieser Form  so leicht auch nicht wiederholbar ist. Auf den Tisch kamen an diesem Nachmittag nicht weniger als dreizehn Jahrgänge des legendären Pomerol-Stars Pétrus und seines kometenartig aufgestiegenen Nachbarn Le Pin.

Armin Diel, Dieter L. Kaufmann und Nen-Kyong Yong

Ort der Handlung ist das damalige Spitzenrestaurant Zur Traube in Grevenbroich, wo Patron Dieter L. Kaufmann für sein Zwei-Michelin-Sternerestaurant über viele Jahrzehnte einen der bestsortierten Weinkeller des Landes pflegte. Kaufmann ist ein alter Freund von Dr. Young, den er schon häufig in Singapur besucht hatte. Umgekehrt ist für „N.K.“ und Melina ein jährlicher Abstecher ins rheinische Grevenbroich obligatorisch, wenn sie ihre Lieblingswinzer in Frankreich und Deutschland besuchten.

Mit am Tisch sitzen Gastronomen, Sommeliers und Journalisten, denen der jeweilige Jahrgang paarweise vorgesetzt wird. Das Ganze natürlich blind! Die Juroren waren gehalten, sich per Handzeichen für ihren  Rundensieger zu entscheiden.

Die Jury

Armin Diel, Winzer und Journalist, Burg Layen; Dieter L. Kaufmann, Hotel Zur Traube; Peter Kaditzky, Weinsammler, Hofheim; Hans-Joachim Krautkrämer, Hotelier, Münster; Walter Nebgen, Weinsammleer, Neuß; Stuart M. Pigott, Weinautor, Berlin; H.B. Ullrich, Hotelier, Assmannshausen; Melina und Nen-Kyong Yong, Weinsammler, Singapur; sowie zwei deutsche Spitzenwinzer mit großer Rotweinerfahrung.

Jahrgang 1979: Jury-Votum 7:4 für Le Pin; verdienter Punktsieger in einem eher schwachen Jahr.

Jahrgang1980: Jury-Votum 8:3 für Pétrus, verdienter Punktsieg bei einem insgesamt schwachen Pärchen.

Jahrgang 1981: Jury-Votum: 8:3 für Le Pin; souveräner Erfolg für den strahlenden Le Pin.

Jahrgang 1982: Jury-Votum 9:2 für Pétrus; großartiger Pétrus schlägt sehr guten Le Pin.

Jahrgang 1983: Jury-Votum 11:0 für Le Pin; ein deklassierender Erfolg über einen enttäuschenden Pétrus.

Jahrgang 1984: Jury-Votum 11:0 für Le Pin; eindeutiger Sieg gegen schwachen Petrus.

Jahrgang 1985: Jury-Votum 9:2 für Le Pin; großartiger Le Pin gewinnt gegen sehr guten Pétrus.

Jahrgang 1986: Jury-Votum 10:1; grandioser Le Pin schlägt sehr guten Pétrus.

Jahrgang 1987: Jury-Votum 6:5 für Le Pin; ein unverständlich knappes Ergebnis, denn Le Pin war um Längen besser!

Jahrgang 1988: Jury-Votum 9:2 für Le Pin; exzellenter Le Pin knapp vor sehr gutem Pétrus.

Jahrgang 1989: Jury-Votum 7:4 für Pétrus; großartiger Pétrus schlägt sehr guten Le Pin

Jahrgang 1990: Jury-Votum 7:4 für Pétrus; knapper Sieg von Pétrus in einem Kopf-an-Kopf-Finale

Jahrgang 1992: Jury-Votum 7:4 für Le Pin; verdienter Sieg eines für den Jahrgang  erstaunlich guten Le Pin.

Waterloo für Pétrus

Das zusammengefasste Ergebnis kam einem Erdrutschsieg für David Le Pin gleich, der neun Mal Jahrgangssieger wurde, während Goliath Pétrus nur vier Mal besser bewertet wurde. Bemerkenswert war auch, dass Le Pin in drei von vier Fällen (1982, 1989 und 1990) auch als Zweitplazierter mehr als nur respektable Qualitäten auftischte und dafür hohe Bewertungen bekam. Andererseits wurde Pétrus in einigen Fällen geradezu deklassierend geschlagen (1981, 1983 und 1984), sodass sich der Eindruck verstärkte, das Koordinatensystem im Pomerol-Gebiet sei in den letzten Jahren ins Wanken geraten. Und wie muss dieses Ergebnis auf anerkannte Weinzungen wie den Franzosen Michel Bettane und den Amerikaner Robert M. Parker gewirkt haben? Bislang hatten sie Le Pin bislang keine sonderliche Beachtung geschenkt. In seinem Mitte der

1980er Jahre erschienenen Bordeaux-Buch hatte Parker das kleine Pomerol-Gut nur als mittelmäßig beurteilt und es auf die Stufe mit einem Cinquième Cru aus dem Médoc gestellt.

Berichte über den spektakulären Erfolg von Le Pin bei der Grevenbroicher Verkostung erschienen in vielen internationalen Weinmagazinen, etwa dem amerikanischen Wine Spectator und verfehlten ihre Wirkung nicht. Den Primeurpreis für den Jahrgang 1996 verdreifachte Inhaber Jacques Thienpont gegenüber dem Vorjahr. Die saftige Preiserhöhung hatte sicher auch damit zu tun, dass Robert Parker den 1982er Le Pin in seinem Newsletter The Wine Advocate Ende des Jahres 1995 mit hundert Punkte bewertet hatte und den Stellenwert des Gutes  – welch ein Sinneswandel – nun mit einem Premier Cru des Médoc verglich. Schon seit Jahren konnte Jacques Thienpont beobachten, dass der Weinhandel mit seinem offenbar zu preiswert  angebotenen Wein tüchtig Geld verdiente. Verständlicherweise wollte auch er nun ein größeres Stück vom Kuchen abhaben.

In den Folgejahren tauchten die Weine von Le Pin auch bei Auktionen von Christie’s und Sotheby’s auf, wo sie regelmäßig stattliche Preise erzielten. Sehr zur Überraschung von Fachleuten wie Serena Sutcliffe, der damaligen Chefin der Weinauktionen bei Sotheby´s, die sich immer wieder die schicksalsschwere Frage stellte, wann die Le-Pin-Blase denn wohl platze? Davon kann allerdings bis zum heutigen Tag nicht die Rede sein – im Gegenteil!

Heute erzielt Le Pin weltweit Preise, insbesondere in den Vereinigten Staaten und in Fernost, die durchaus über denen von Château Pétrus liegen können. Das hat auch damit zu tun, dass die Rebfläche von Pétrus mit elfeinhalb Hektar mehr als fünf Mal größer ist als die von Le Pin und es deutlich mehr Flaschen davon gibt. „Aus Gründen äußerster Diskretion geben wir grundsätzlich keine detaillierten Auskünfte über die Produktionsmenge von Château Pétrus. Gehen Sie von ungefähr von fünfundzwanzig bis dreißigtausend Flaschen pro Jahr aus,“ beantwortet Frédéric Lospied, die rechte Hand von Pétrus-Chef Moueix, entsprechende Anfragen.

Mit am Tisch in Grevenbroich saß damals auch der Rheingauer Hotelier Hans-Burkhardt Ullrich, der vom Ergebnis dieser Verkostung dermaßen beeindruckt war, dass er in den Folgejahren in seinem Assmannshäuser Hotel „Krone“ immer wieder zu Raritätenverkostungen einlud, bei denen Le Pin eine tragende Rolle spielte: Mal in Verbindung mit Cheval-Blanc oder Haut-Brion, ein andermal mit Lafite-Rothschild oder Pichon Comtesse de Lalande. Stets waren die Teilnehmer von der frappierenden Güte des Aufsteigers aus Pomerol verblüfft.

Zweites Gipfeltreffen im Rheingau

Um herauszufinden, wie sich die Kraftverhältnisse auf der rechten Uferseite des Bordelais fünfzehn Jahre nach der Grevenbroicher Sensationsprobe entwickelt haben, fasste Ullrich den kühnen Entschluss eine zweite Verkostung der beiden Pomerol-Ikonen zu organisieren. Den angemessenen Rahmen hierfür bot das 14. Rheingau Gourmet- & Weinfestival. Dieses einzigartige Event hatte Ullrich im Jahr 1997 mit dem inzwischen verstorbenen Rüdesheimer Winzer Bernhard Breuer aus der Taufe gehoben.

Ungewöhnliches Dosiergefäß

Anfang März 2010 versammelten sich zwanzig zahlende  Gäste im Hattenheimer Hotel Kronenschlösschen, um jeweils neun Jahrgänge von Pétrus und Le Pin zu verkosten. Dieses Mal wurden die Pärchen allerdings offen verkostet, zunächst die älteren Jahrgänge 1992, 1993 und 1994, gefolgt von 1997, 1998 und 1999 und schließlich 2000, 2001 und 2002.

Alles in allem war es eine Heerschau zweier majestätischer Weine auf Augenhöhe. Mit voller Berechtigung trug die Verkostung den Titel „Once in a lifetime“. Bewusst wurde diesmal auf eine Abstimmung verzichtet, wer im jeweiligen Jahrgang die Nase vorne hat, es ergab sich allgemein jedoch eine leichte Präferenz für Le Pin. Von ein9em Erdrutschsieg wie dereinst in Grevenbroich konnte aber beim besten Willen nicht die Rede sein. Wie nicht anders zu erwarten, ragten die Weine der Jahrgänge 1998 und 2000 heraus. Für die größten Überraschungen sorgten die Weine der Jahrgänge 1999 und 2001, die gemessen am Jahrgangsimage geradezu grandios ausfielen, gefolgt von 1997 und 2002. Die Moderation dieser Verkostung lag in meinen Händen.

Der Jahrgang 1992

Gilt allgemein als kleiner Jahrgang. Ein feuchter Sommer und stürmischer Herbst in Verbindung mit einem Mangel an Sonnenschein führten zu schwierigen Bedingungen.  Es entstanden durchweg mittelgewichtige Weine

1992 Le Pin: Lesebeginn am 1. Oktober. Saftiger Haselnussduft, elegante Fülle, feine Eleganz, überraschend konzentrierter Nachhall, erstaunlich gut für das schwierige Jahr. 91 Punkte

1992 Pétrus : Lesebeginn am 28. September. Ausladender Cassisduft, deutliche Vanillenote, schlanker Körper, feinherbe Note, betonter Gerbstoff, im Abklang fast eine Spur rustikal. 88 Punkte

Der Jahrgang 1993

War nur unwesentlich besser als der Vorjahrgang. Am Anfang war es sehr trocken und am Ende sehr feucht: Anfang September fing es an zu regnen, bis zum Ende der Lese waren es zweihundertvierzig Millimeter Niederschlag!

1993 Pétrus: Lesebeginn am 25. September. Feinwürziger Haselnussduft, ein Hauch von schwarzen Früchten, Vanille, Kaffee und Leder; geschmeidige Fruchtfülle, bestens eingebundene Tannine, hat Schmelz und Fülle, schöner Nachhall. Sehr beachtlich für das schwierige Jahr! 90 Punkte

1993 Le Pin: Lesebeginn am 24.September. Feiner Duft von Waldbeeren, Tabak und Vanille, mittlere Frucht, feinherbe Note, im Abklang bereits deutlich gezehrt. 88 Punkte

Der Jahrgang 1994

Fiel deutlich besser aus als die beiden Vorjahrgänge, ohne wirklich zu überzeugen. Nach einem milden Winter brachte der Frühling heftige Regenfälle und auch Frost. Wie im Vorjahr begann es Anfang September wieder einmal zu regnen.

1994 Le Pin: Lesebeginn am 21. September. Opulenter Duft von Räucherspeck und Veilchen, süßliche Frucht, dichter Körper, bestens eingebundene Tannine, würziger Nachhall, elegant, bemerkenswert für das Jahr. 93 Punkte

1994 Pétrus: Lesebeginn am 19. September. Feinwürziger Cassisduft, leicht pfeffrige Himbeernote, etwas Cassis, dunkle Schokolade, deutlich Vanille, stoffige Fülle, feinherbe Tannine, ein Hauch zu viel Holz, süßlicher Nachhall. 89 Punkte

Wie sehen die aktuellen Marktpreise aus?

Der Jahrgang 1997

Ging als guter, aber auch überaus teurer Jahrgang in die Geschichte ein. Der früheste Austrieb seit Jahrzehnten schürte zunächst Frostängste à la 1991, die jedoch unbegründet waren. Dann folgte kühles und feuchtes Wetter während der Blüte, die sich über 4 Wochen erstreckte: Ein heterogener Reifezustand der Trauben machte eine pingelige Grüne Lese und strenge Selektion bei der Ernte nötig.

1997 Le Pin: Lesebeginn am 26. September. Sanftes Bukett, ein Hauch von Nelke, Schwarzkirsche und Brombeere, süße Tannine, samtige Fülle, eleganter Körper, lebhafter Nachhall. 95 Punkte

1997 Pétrus: Lesebeginn am 10. September. Duftet nach Schwarzkirsche, Himbeere und Zimt, etwas Tabak, feine Fruchtsüße, sehr elegante Geschmacksmitte, im Abklang aber eine Spur rustikal, zu viel neues Holz. 90 Punkte

Der Jahrgang 1998

Das ausgezeichnete Wetter ließ bereits im Frühjahr Hoffnungen auf ein Spitzenjahr keimen. Obschon der April mit mehr als 200 mm Niederschlag Rekorde brach, gab es in den ersten 5 Monaten insgesamt sogar weniger Regen als normal. Die Blüte verlief Anfang Juni ohne Störungen und der August bescherte Rekordtemperaturen bis 40 Grad. Ein großartiger Jahrgang auf dem rechten Ufer!

1998 Pétrus: Lesebeginn am 21. September. Verführerisches Bukett mit Eindrücken von schwarzen Früchten, Mokka, Karamell und Kirsche; super eleganter Körper, seidige Fruchtfülle, dabei feinrassig und lange nachklingend, besser kann ein Bordeaux kaum sein. 100 Punkte

1998 Le Pin: Lesebeginn am 21. September. Exotisch anmutendes Bukett, duftet eindrucksvoll nach Schwarzkirsche, Preiselbeere und Cassis, rund und voll, sensationelle Harmonie, Inkarnation eines großen Pomerols! 100 Punkte

Der Jahrgang 1999

Nach einem kühlen und trockenen Winter sorgte ein warmes Frühjahr für einen üppigen Fruchtansatz. Wer nicht stark zurückgeschnitten hatte, konnte eine Riesenernte erwarten. Der September begann schön, doch regnete es am 20. September mit 300 mm mehr als sonst im ganzen Monat. Ein ausgesprochenes Merlot-Jahr, weil viele Trauben auf der rechten Seite bereits vor dem großen Regen geerntet waren.

1999 Pétrus: Lesebeginn am 15. September. Belebendes Bukett, ein Hauch von Minze, Pfeffer und Walderdbeeren, äußerst geschmeidiger Körper, sehr elegant, feinherber Nachhall, phänomenal gut für das Jahr! 95 Punkte

1999 Le Pin: Lesebeginn am 3. September. Fest, guter Fond, bester Nachhall, ein Klassiker, Vanille, Schokolade, schmelzige Fruchtfülle, brillanter Nachhall, supergut für das Jahr. 94 Punkte

Der Jahrgang 2000

Nicht nur wegen der originellen Jahreszahl ein  historischer Bordeaux-Jahrgang. Von Juli bis Oktober war das Wetter überall perfekt und ließ die Trauben optimal heranreifen. Daraus entstanden sehr ausgewogene, vollmundige Weine mit großartigem Entwicklungspotenzial. Die Durchschnittsqualität lag sogar über der des legendären Jahrgangs 1961. Der Markt ließ Preisanhebungen zu, die bis zu 70 Prozent über dem Vorjahr lagen. Erstmals überschritten die Primeurpreise eintausend Francs.

2000 Pétrus: Lesebeginn am 18.September. Verschwenderischer Duft von reifen Früchten, Cassis, Preiselbeere, Schwarzkirsche, Anflug von Röstaromen, großartige Fruchtfülle und Süße, hinterlegt von einer sehr feinen und eleganten Tanninstruktur. 98 Punkte

2000 LE PIN:  Lesebeginn am 18. September. Saftig und rund, rauchige Cassisnote, Symbiose von Fülle und Finesse, große Opulenz, sehr komplex und nachhaltig, keinerwegs oberfläch und gefällig, sondern sehr ernsthaft Wein, grandioser Nachhall. 98 Punkte

Der Jahrgang 2001

Ein völlig unterschätzter Jahrgang, der zunächst völlig im Schatten des Millenniums stand. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein klassischer Jahrgang. Die Güte fällt meist um so besser aus, je mehr Merlot sich in den Cuvées befindet. Während früher einhundert Tage nach der Blüte als optimales Erntedatum galten, waren es 2001 bis zu einhundertdreißig Tage. Die Trauben waren klein, produzierten deshalb aber sehr konzentrierte Weine.

2001 Le Pin: Lesebeginn am 28. September. Sehr feines Bukett, Preiselbeere, Cassis, Schwarzkirsche, fein und fest zugleich, sehr konzentriert, ein toller Wein für das Jahr! 95 Punkte

2001 Pétrus: Lesebeginn am 27. September. Sehr feines Bukett, deutlich Cassis, Schokolade, Brombeere, etwas Leder; cremig am Gaumen mit schönem fruchtigen Finale, feinherbe Tannine im Nachhall. 92 Punkte

Der Jahrgang 2002

Die Natur hat kaum einen Winkelzug ausgelassen, um den Winzern die Nerven zu perforieren. Die Blüte kam bei kühlem, regnerischen Wetter nur schwer in Gang und zog sich über drei Wochen hin, was zu starken Verrieselungen führte. Die Niederschläge des Sommers konnten das trockene Frühjahr nicht ausgleichen, Hagelschlag und Starkregen um den 20. September gefährdeten die Ernte. Nur ein schöner Altweibersommer sorgte schließlich dafür, dass die Trauben doch noch halbwegs reif wurden.

2002 Le Pin : Lesebeginn am 24. September. Verführerisches Bukett, unerhört komplex, großartige Frucht, erstaunliche Fülle, feinherbe Tannine im Nachhall. 92 Punkte

2002 Pétrus: Lesebeginn am 28. September. Eher diskretes Bukett, zartsüße Frucht, Karamell und Vanille, charmanter Körper, feste Struktur, bald mit Freude zu genießen. 91 Punkte

Zwei grandiose 2009er

Nur wenige Wochen nach der Hattenheimer Verkostung hatte ich es im April 2010 schon wieder mit den beiden Pomerol-Ikonen zu tun. Es standen die Primeur-Verkostungen des Jahrgangs 2009 an: Im Hause Jean-Pierre Moueix in Libourne drängen sich die Verkoster dicht an dicht und am Ende wartet die große Enttäuschung: Wo ist denn der Pétrus? Bislang stand er stets am Ende der Moueix-Kollektion, nun war es damit vorbei. In diesem Jahr musste man um einen separaten Termin im Weingut einkommen, was längst nicht alle Weinnasen mitbekommen hatten und deshalb ohne ihn verkostet zu haben nach Hause fahren mußten. Auf Petrus werden die Besucher nur nach strenger Namenskontrolle eingelassen und dann von Jean-Claude Berrouet, dem langjährigen Kellereidirektor des Gutes, und dessen Sohn und Nachfolger Olivier über die Vorzüge des 2009ers aufgeklärt. „Ja, ein toller Jahrgang“, sagt Vater Berrouet, der nach funfundvierzig Jahren nun den verdienten Ruhestand genießt und den Filius, der vorher als Oenologe bei Château Cheval-Blanc tätig war, heute nur mehr berät. Der Wein ist, wie könnte es anders sein, grandios! Die schmeichelnde Süße verbindet sich genüsslich mit den feinwürzigen Tanninen. Keine Frage: Ein Wein für die Schatzkammer!

Our team. - Thienpont Wine
Jacques Thienpont

Nur ein paar hundert Meter von Pétrus entfernt treffe ich Jacques Thienpont zur Kostprobe seines Le Pin 2009. In den ersten zwanzig Jahren war der Patron aus dem fernen Etikhove nur selten in der Primeur-Woche da, wenn sich Weinhändler und –journalisten ein Bild vom neuen Jahrgang bilden. Auch danach hatte ich das Gefühl, dass er nur eine Handvoll ausgewählter Verkoster empfangen wollte. Diesmal war alles anders: Gleich am Anfang des schmalen Feldweges weist ein kleines Schild „Degustation Le Pin“ in eine ungewohnte Richtung: Nicht zu jenem einfachen Bauernhaus, welches drei Jahrzehnte die Heimat des berühmtesten Garagenweins war, das nun abgerissen und durch einen modernen Neubau nach den Plänen der belgischen Architekten Robbrecht & Daem ersetzt werden soll.

Die neue Kellerei von Le Pin

Stattdessen wird dieses Mal noch in einem improvisierten kleinen Kelterhaus verkostet, das Jacques für zwei Jahre als Ausweichquartier für die Vinifikation seiner Rotweins hergerichtet hat. Zweite Neuerung: Erstmals gibt es hier sogar einen gedruckten Jahrgangsbericht, ganz so wie man sie den großen Bordelaiser Gütern präsentiert bekommt. Geschrieben hat ihn Fiona Morisson, Jacques´wortgewandte walisische Ehefrau, die einst die Laufbahn eines Master of Wine absolviert hat und sich inzwischen einen Ruf als Weinpublizistin erworben hat: „Der 2009er erinnert uns an die Jahrgänge 1990 und 1998!“ Fürwahr keine Übertreibung: Der Wein ist ein Musterbeispiel eines perfekten Merlots, bei dem sich die belebende Frische auf das Vorzüglichste mit den exotischen Fruchtkomponenten vermählt. Einfach phantastisch!

Zwanzig Jahrgänge zum Jubiläum

Einen weiteren Auftritt im Rheingau feierte Le Pin übrigens beim Gourmet- und Weinfestival im  Februar 2016 und zwar anlässlich dessen zwanzigsten Jubiläums. Zu diesem Anlass hatte Hans Burkhart Ullrich den Gutsinhaber Jacques Thienpont eingeladen, der  sich persönlich die Ehre gab. Zu einem prächtigen Menü des Düsseldorfer Sternekochs Jean-Claude Bourgeuil präsentierte er zwanzig Jahrgänge seines außergewöhnlichen Weines: Beginnend mit dem perfekt gereiften Jahrgang 1983 bis zum fabelhaften Jahrgang 2010. Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, diese historische Verkostung moderieren zu dürfen. Hier sind meine Verkostungsnotizen:

1983 Le Pin: Dezente Brombeernote im Duft, samtige Fruchtfülle, süßliche Anmutung, erstaunliche Frische, perfekt gereift. 94 Punkte

1985 Le Pin:  Ein Ausbund von Cassisfrucht, enorme Kraft und Fülle, würzige Noten, perfekt eingebundene Tannine, großartig. 96 Punkte

1986 Le Pin:  Wunderbares Bukett, Sandelholz und Zimt, würzig und elegant, würzige Tannine, langer sanfter  Nachhall. 95 Punkte

1988 Le Pin:  Feines Bukett, duftet nach Cassis und Heidelbeere,  elegante Frucht, ausgewogene Tannine, feiner Nachhall. 93 Punkte

1989 Le Pin:  Duftet nach feuchtem Waldboden, reichhaltiger Körper, verhaltene Eleganz, anklingende Fruchtsüße, feine Tannine. 94 Punkte

1990 Le Pin:  Feinwürziges Bukett, viel Cassis, etwas Liebstöckel, schlanker Körper, überaus elegant, feine Säure im Nachhall. 94 Punkte

Weinetikett 1990

1991 Le Pin:  Dezentes Bukett, feine Himbeernoten, schlanker Körper, mittlere Fruchtfülle, schöne Balance, zarter Nachhall.  89 Punkte

1992 Le Pin:  Feiner Haselnussduft, etwas Cassis und Teer, elegante Fülle, feine Struktur, überraschend konzentrierter Nachhall. 91 Punkte

1993 Le Pin:  Dezente Röstnote im Duft, verhaltene Frucht, etwas grüner Paprika, mittelgewichtig, feinherbe Note im Abklang.  89 Punkte

1994 Le Pin:  Konzentriertes Bukett, duftet nach Veilchen und Vanille, eleganter Körper, feine Würze, super für das Jahr. 94 Punkte

1995 Le Pin:  Duftet nach Haselnussschokolade und  reifen roten Früchten, dichter Körper, beste Balance, eleganter Nachhall. 97 Punkte

1996 Le Pin:  Überwältigendes Bukett,  Cassis und Blaubeere, geradezu explosive Frucht, feinherbe Noten, großartiger Nachhall. 97 Punkte

1997 Le Pin:  Tolles Bukett, viel Cassis und Blaubeere, samtige Fülle,  ein Hauch von Marzipan,  fleischig, eleganter Nachhall. 95 Punkte

2000 Le Pin:  Rauchige Cassisnote im Duft, seidige Fülle, komplexer Körper, saftig und rund, feinrassiger Nachhall. 98 Punkte

2001 Le Pin:  Ausgeprägte Cassisnote im Duft, explosive Frucht,  beste Balance, außerordentlich gut für das Jahr, großartiger Nachhall. 95 Punkte

2004 Le Pin:  Gefälliges Bukett, feinsaftiger Körper, belebende Frucht, sanfte Tannine, sehr ausgewogen, würziger Nachhall. 93 Punkte

2005 Le Pin:  Prächtiger Cassisduft, prächtiger Körper, große Fülle und Eleganz,  enormes Potenzial, süßlicher Nachhall. 96 Punkte

2006 Le Pin:  Duftet nach Veilchen und Flieder, überwältigende Fruchtfülle, eleganter Körper, seidige Tannine, langer Nachhall. 96 Punkte

2007 Le Pin:  Wieder eindeutiger Duft von Veilchen und Flieder, aber auch Cassis, ausgewogene Fülle, würziger Nachhall. 93 Punkte

2009 Le Pin:  Duftet nach Brombeere und Cassislikör, großartige Fruchtfülle, süß und voll, ein perfekter Wein. 100 Punkte

2010 Le Pin:  Changiert im Duft zwischen Schwarzkirsche und Schokolade, perfekte Balance, großartiger Nachhall. 100 Punkte

Erstabdrucke: ALLES ÜBER WEIN 6/1995 sowie FALSTAFF-Magazin Juni 2010

Fotos: BERNDT HOCHMANN, ANDREAS DURST & THIENPONTWINE