Der Grand Cru Chambertin ist ein aristokratischer Burgunder in Perfektion
Zwischen Dijon und Beaune gedeiht der Pinot Noir an der Côte de Nuits zu einer Vollkommenheit, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Launisch wie eine Diva reagiert die sensible Rebsorte jedoch auf kleineste Witterungsunterschiede. In sonnenreichen Jahren können die Weine geradezu opulent ausfallen und fruchtig süß schmecken, in kühlen und feuchten Jahren hingegen aber regelrecht dünn und säuerlich ausfallen. Auch der Standort spielt für die geschmackliche Ausprägung eine wichtige Rolle. Während die Weine in Gevrey-Chambertin tiefgründig und komplex schmecken, entfalten sie in Morey-Saint-Denis eine würzige Kraft und präsentieren sich in Chambolle-Musigny finessenreich und zart.
Ende der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden die Weinberge an der Côte d’Or offiziell in verschiedene Kategorien klassifiziert. An der Spitze stehen seitdem die Grands Crus, die in stolzer Einfachheit nur ihren Weinbergsnamen auf dem Etikett tragen, also Chambertin, Musigny oder Echezeaux. Darunter rangieren die Premiers Crus, deren Prädikat stets in Verbindung mit der jeweiligen Gemeinde genannt werden muss und zusätzlich den Namen einer Einzellage tragen kann. Bei den so genannten Dorflagen ist nur der Weinbauort erwähnt, in manchen Fällen ergänzt durch Parzellenbezeichnungen, den so genannten Lieu-Dits.
Heillose Verwirrung bis zum heutigen Tag stifteten die cleveren Bourguignons, als sie damals ihre Ortsbezeichnungen änderten, indem sie der Gemeinde den Namen des jeweils berühmtesten Weinbergs hinzugefügten: Aus Gevrey wurde Gevrey-Chambertin, Morey verwandelte sich in Morey-Saint-Denis und Chambolle mutierte zu Chambolle-Musigny. So glauben weniger aufgeklärte Weinnasen bis zum heutigen Tag beim Genuss eines gewiss anständigen Gevrey-Chambertins den berühmten Grand Cru Chambertin im Glas zu haben.
Die besten Weinberge sind im wesentlichen von einem Kalksteinhöhenzug geprägt, an dessen Ostseite die Verwitterung besonders an den mittleren Hanglagen und am Hangfuß einen steinigen, geröllartigen Boden aus Kalkstein und Ton gebildet hat und für die Reben die beste Entwässerung bietet.
Angesichts seines früheren Reichtums und Ruhms wirkt das ehemalige Fürstentum Burgund heute ausgesprochen schlicht und ländlich. Der umfangreiche Grundbesitz der Kirche wurde zu Napoleons Zeiten unter den Winzern aufgeteilt und das französische Erbrecht führte dazu, dass es inzwischen zu kleinsten Parzellierungen kam, wofür der berühmte Clos de Vougeot das vielleicht markanteste Beispiel ist. Dort teilen sich siebzig Winzer die rund fünfzig Hektar umfassende Fläche, aber längst nicht alle füllen ihren Wein auch selbst ab, sondern verkaufen die Trauben oder den Wein im Fass an Weinhändler in der Region.
An der Côte de Nuits gibt es insgesamt fünfundzwanzig Grands Crus, die sich auf sechs Kommunen verteilen und mit 172 Hektar gerade einmal fünf Prozent der insgesamt 3.000 Hektar großen Rebfläche ausmachen. Ziemlich genau die Hälfte davon liegt allein in der Gemeinde von Gevrey-Chambertin, wo sich siebenundachtzig Hektar auf neun Grand Cru Lagen verteilen: Primus inter Pares ist dort der der berühmte Chambertin, gefolgt vom Chambertin Clos de Bèze. Namensverwandte Grands Crus wie Chapelle-Chambertin, Charmes-Chambertin, Griotte-Chambertin, Latricièses-Chambertin, Mazis-Chambertin, Mazoyères-Chambertin und Ruchottes-Chambertin kommen qualitativ nur höchst selten an das Flaggschiff Chambertin heran.
Die legendäre Domäne Armand Rousseau besitzt vierzehn Hektar in den besten Lagen von Gevrey-Chambertin sowie einen Weinberg im Grand Cru Clos de la Roche im Nachbarort Morey St. Denis. Neben Chambertin und Chambertin Clos de Bèze zählte der mittlerweile verstorbene Inhaber Charles Rousseau (Jahrgang 1923) den Premier Cru St. Jacques stets zu seinen liebsten Weinweinen, den er mitunter sogar höher einschätzt als seine übrigen Grands Crus, den Chambertin inklusive.
Im Jahr 1990 hat Sohn Eric das Kommando in der Domaine Rousseau übernommen und die Qualität der Weine seitdem nochmals deutlich verbessert. Es fällt auf, dass sie sich im jugendlichen Stadium vom Fass verkostet faszinierend gut präsentieren, bevor sie sich nach der Abfüllung für eine geraume Zeit verschließen, um dann nach zehn bis fünfzehn Jahren Reifezeit ihr wahres Format zu offenbaren. Die insgesamt dreizehn Hektar umfassende Rebfläche im Grand Cru Chambertin verteilt sich auf insgesamt achtundzwanzig Winzer, wovon Rousseau mit gut zwei Hektar zu den Großgrundbesitzern zählt. Seine insgesamt vier Parzellen befinden sich im südlichen Teil der Lage, das durchschnittliche Alter der Reben liegt bei fünfzig Jahren. Nach der Lese werden die Trauben zunächst komplett entrappt, allerdings gibt Eric Rousseau immer mal bis zu zehn Prozent der Stile in den Gärbottich zurück. Der Ausbau erfolgt zwanzig Monate in komplett neuen Eichenholzfässern, bevor die Weine nach einer leichten Schichtenfiltration mittels Falldruck auf Flaschen abgefüllt werden.
2008 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Gut gedecktes Rubinrot mit zarten Lilareflexen. Changiert im Duft zwischen Lakritz und Veilchen sowie Preiselbeere und Wallnuss. Zeigt mittlere Geschmacksfülle bei feiner Säurestruktur. Dürfte sich in den nächsten Jahren als ausgesprochen angenehmer Speisebegleiter entwickeln. 92 Punkte
2007 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Kräftiges Dunkelrot ohne jeden Orangereflex. Erinnert im Duft an Sandelholz und rote Kirsche. Die zarte Süße verbindet sich vorzüglich mit fein polierten Tanninen. Zeigt im Geschmack eine ausgesprochen würzige Eleganz, die in einem wunderbaren Nachhall mündet. 94 Punkte
2003 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Kräftiges Rubinrot mit zarten Orangereflexen. Das außergewöhnlich heiße Jahr hinterließ deutliche Spuren: Schwarzkirsche, Tabak und getrocknete Feige. Im Geschmack zeigt der Wein eine barocke Fülle und Süße, die an einen 1947er erinnern. Ein grandioses Monument! 98 Punkte
2002 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Bestens gedecktes Rubinrot ohne jegliche Orangereflexe. Ausgesprochen elegantes Bukett mit Anklängen von Brombeere, Himbeere und Koriander. Die zunächst etwas kühl anmutende Frucht offenbart sich nur Schluck für Schluck: Reife Tannine und ein brillantes Säurespiel belegen, dass dieser Wein noch ein prächtige Zukunft vor sich hat. 95 Punkte
2001 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Gut gedecktes Rubinrot mit zarten Orangereflexen. Im Duft recht deutlich vom neuen Eichenholz geprägt, begleitet von Anklängen an Aubergine und Dörrpflaume. Erinnert geschmacklich etwas an grünen Paprika und wirkt dadurch etwas unreif. Kein besonders beeindruckender Jahrgang für Rousseau. 91 Punkte
2000 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Mittleres Rubinrot mit zarten Orangereflexen.. Erinnert im Duft an Vanille, Veilchen und geröstete Kastanien. Ansprechende Fruchtfülle, die sich wohltuend mit den reifen Tanninen verbindet. Ein sehr speisenfreundlicher Wein, der sich so langsam seinem Trinkhöhepunkt nähert. 92 Punkte
1999 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne jeglichen Orangerand. Bietet im Duft all das, was man von einem großen Pinot Noir der Bourgone erwarten darf: Himbeere, Brombeere und ein Hauch von Wildbret. Wunderbar polierte Tannine vereinen sich vorzüglich mit einer lange nachklinende Fruchtsüße. 98 Punkte
1998 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Mittleres Rubinrot ohne Orangerand, Im Duft changieren vegetabile Noten mit Veilchen, Lakritz und Lorbeer. An Paprika erinnernde Tannine deuten auf einen eher unreifen Jahrgang hin, der sich auch mit weiterer Flaschenreife nur unwesentlich zu seinem Vorteil entwickeln dürfte. 90 Punkte
1996 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Gut gedecktes Rubinrot mit dezentem Orangerand. Wunderbarer Duft von Schwarzkirsche, Brombeere und Holunder. Sehr eleganter, fast etwas leichtgewichtig anmutender Körper. Feinst polierte Tannine vermitteln diesem Wein eine phantastische Eleganz, weiter mit aufsteigender Form. 96 Punkte
1995 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Gut gedecktes Rubinrot mit zartem Orangerand. Vielschichtiger Duft von Muskatnuss, Brombeere und getrockneter Feige. Großartige Fruchtstruktur, kraftvoller Körper, feinwürzige Tannine, noch längst nicht auf dem Höhepunkt. 95 Punkte
1994 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Mitteltiefe Farbe mit deutlichem Orangerand. Duftet nach feuchtem Waldbboden und etwas Liebstöckel. Deutlich gezehrte Frucht, mittelgewichtiger Körper, hat den Zenit seiner Reife deutlich überschritten. 87 Punkte
1993 Domaine Armand Rousseau Chambertin Grand Cru: Mitteltiefes Rubinrot mit zartem Orangerand. Im Duft mischt sich eine zarte Sandelholznote mit etwas Liebstöckel und Preiselbeere. Samtig weiche Frucht, perfekt entwickelt, stilvoller Nachhall. 93 Punkte
Erstabdruck in FINE Das Weinmagazin II/2013
Fotos: BERNDT HOCHMANN, ARMIN DIEL