Ein Platz an der Küchentür, korkiger Rotwein und ein banaler Gavi di Gavi. Schlimmer geht’s nimmer im angeblich besten Restaurant der Stadt.
Die überragende Bewertung des italienischen Ristorante Pagana bei TripAdvisor als Prags höchstbewertestes Restaurant der Stadt hat unsere Aufmerksamkeit erregt und uns veranlasst dort einen Tisch in diesem hübschen Sous-Terrain-Restaurant zum Lunch zu bestellen, abends ist das Pagana oft Tage im voraus ausgebucht! Die Gäste werden freundlich empfangen und schon auf dem Weg zum Tisch von Santo Pagana, dem Sohn des Hauses, in vielerlei Sprachen interviewt, woher sie denn kommen und woher sie die Empfehlung haben. „Trip Advisor“ war die regelmäßige Antwort. Er freue sich jedenfalls über den Besuch und verspricht den Gästen puren Wohlgenuss.
Uns versuchte er an einem Minitisch direkt an der Schwingtür zur Küche zu platzieren. „Dies ist einer meiner Lieblingstische, weil man immer wieder auch mal in die Küche schauen kann“, empfiehlt Santo Pagana in fließendem Deutsch, ist dann aber gottlob damit einverstanden, dass wir uns für einen etwas ruhiger gelegenen Platz entscheiden. „Das Restaurant gehört meiner Mutter, den Service mache ich gemeinsam mit meinem Cousin Marco“, lässt uns der Junior-Chef wissen. Sein aus Süditalien stammender Vater habe die Mutter im ostwestfälischen Paderborn kennengelernt, er sei in Hamm aufgewachsen, wo die Eltern bis vor acht Jahren ein Italienisches Restaurant geführt haben. Dann sei der Entschluss gekommen, nach Prag überzusiedeln. So genau wollten wir das zwar alles gar nicht wissen, aber Santo Pagana war in seinem Mitteilungsdrang kaum zu bremsen.
Nun endlich ging es um die Getränke. Er stellt uns zwei kleine Sektgläser auf den Tisch. „Den teuren Prosecco empfehle ich Ihnen nicht unbedingt, der preiswertere Frizzante ist genauso gut. Das sage ich, obwohl das schlecht für unser Geschäft ist!“ Er muss bemerkt haben, dass uns das lauwarme, kaum noch perlende Sektchen nicht sonderlich gefallen konnte und stellte uns zwei offene Rotweinflaschen und einen Weißen auf den Tisch: „Hier könnt Ihr in aller Ruhe probieren!“ Beide Rotweine waren deutlich zu warm, der erste wirkte im Duft ziemlich rustikal, der zweite roch stark noch einem fehlerhaften Kork und auch der Weißwein konnte unser Interesse nicht finden. Santo Pagana stürzte sogleich zum Nachbartisch, wo sich ein Pärchen just den korkigen Wein ausgewählt hatte. „Sorry, this bottle is not okay, I will serve the wine from another bottle!“ Respekt, das kann man zumindest als gelungene Notfallmaßnahme bezeichnen. Professioneller wäre es gleichwohl, würde der Service den jeweiligen Wein nach dem Öffnen auf Fehlerfreiheit überprüfen.
Da wir aber immer noch nichts zu trinken auf dem Tisch hatten, bestellten wir nun doch den teureren Prosecco Spumante, den der junge Patrone vorher nicht so recht zu empfehlen wusste. Nun sollte sich aufklären, wieso: „Den kann ich Ihnen leider nicht anbieten, da er zur Zeit ausverkauft ist!“ Es fällt nicht leicht in der durchweg mit italienischen Kreszenzen bestückten Karte interessante Weine zu finden. Das galt leider auch für die ausgewählte Flasche Gavi di Gavi, die wir kaum bis zur Hälfte austranken. Machen wir es kurz: Der Weine wegen braucht wirklich keiner ins Pagana zu gehen.
Gemessen daran kann man das Essen durchaus loben: Sowohl das Vitello Tonnato als auch der Tintenfisch mit Möhrenpüree wussten zu gefallen, eine Spur besser war noch die saftige Fasanenbrust mit einem leckeren Salat von Süßkartoffeln aus Peru.
Gegen ein Erinnerungsfoto hatte Santo Pagana nichts einzuwenden, einen Kontrollblick auf das Display lehnte er kühn ab: „Ich weiß dass ich fotogen bin!“ Und distanzlos zugleich, indem der junge Padrone unbekannte Gäste unaufgefordert duzt, die altersmäßig gut und gern seine Eltern sein könnten.
Publiziert: 5. Oktober 2015
Nachbemerkung:
Vier Jahre danach figuriert Ristorante Pagana bei TripAdvisor auf Platz 8, nun allerdings nicht mehr aller Prager Häuser, sondern lediglich in der Liste der italienischen Restaurants der Stadt.