Château Figeac, Saint Emilion

Wie Thierry Manoncourt sein Leben lang um die angemessene Wertschätzung seiner Weine kämpfte

„So, so, Sie kommen gerade von Château Figeac,“ stellt Jacques Hébrard mit hochgezogenen Augenbrauen fest „dann wissen Sie ja schon alles über Cheval Blanc, und ich brauche Ihnen gar nichts mehr zu erzählen!“ Hébrard, ein Hüne von einem Mann und langjähriger Verwalter von Château Cheval Blanc, traf mit seiner leicht süffisanten Anmerkung ins Schwarze. Vieles von dem, was mir Thierry Manoncourt über Château Figeac erzählt hatte, bezog sich irgendwie auf den Nachbarn Cheval Blanc, jenes berühmte Weingut, das 1955 gemeinsam mit Château Ausone in den Adelsstand als Premier Grand Cru Classé A erhoben wurde. Wie Château Figeac zählt in Saint-Emilion ein Dutzend weiterer Güter zur so klassifizierten Weinelite, aber eben nur in der Kategorie B.

Schon bei meinem ersten Besuch in Saint-Emilion im Sommer 1981 war ich sehr beeindruckt von dem eleganten Herrn, der mir die große weiße Holztür von Château Figeac öffnete und mich in den Salon des Schlosses geleitete. Im Unterschied zu vielen kleineren Weingütern der Region, die sich im Bordelais zwar Château nennen dürfen, weil dies hier als Synonym für Domaine oder Weingut steht, kann man bei Château Figeac sehr wohl von einem Schloss sprechen. Thierry Manoncourt bot mir ein Glas Wasser an und begann mit der Geschichte des Gutes. „Die ältesten Grundmauern gehen auf das dreizehnte Jahrhundert zurück, andere Gebäudeteile, die einen Großbrand während der Religionskriege überlebten, stammen aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert.“ Der Name des Gutes geht zurück auf eine römische Villa namens Figeacus, die hier im zweiten Jahrhundert gestanden haben soll. Ab dem 16. Jahrhundert gehörte Figeac beinahe dreihundert Jahre lang der Familie de Carle, die das Gut auf stattliche zweihundertfünfzig Hektar Weinberge, Wälder und Wiesen brachte. Nachdem Elie de Carle verstorben war und das Gut in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, wurden größere Teile des Besitzes verkauft, aus denen andere bekannte Weingüter hervorgingen, auch Château Cheval Blanc. Einige trugen sogar den Namen Figeac in ihrer Firmierung, etwa Petit-Figeac, Yon-Figeac, La Tour-Figeac, La Tour du Pin-Figeac. Château Figeac selbst wechselte im 19. Jahrhundert nicht weniger als sieben Mal den Besitzer.

Wie ein typischer Winzer kam mir der elegant gekleidete Thierry Manoncourt schon gar nicht vor, als er auf seine Vorfahren zu sprechen kam. „Mein Urgroßvater war zu Zeiten von Zar Nikolaus II. am Bau der Bahnstrecke Moskau–St. Petersburg beteiligt, mein Großvater unterhielt in Ägypten eine Import-Export-Firma, als der Suezkanal gegraben wurde, und mein Vater war Steuerberater von Madame Curie, als sie ihre Recherchen über die Radioaktivität machte!“

Und wie kam das Weingut dann überhaupt in die Familie? „Den Besitz verdanken wir meinem Großvater mütterlicherseits, der damals Direktor des Rathauses von Paris war. Ein alter Klassenkamerad hatte ihn 1892 davon überzeugt, das Weingut in Saint-Emilion zu kaufen und stattdessen einen alten Familiensitz zwischen Lüttich und Aachen aufzugeben.“

Allerdings betrieb die in Neuilly bei Paris lebende Familie das Weingut beinahe fünfzig Jahre aus der Ferne, weil sich niemand persönlich um Figeac kümmern wollte. Stattdessen setzte man einen Verwalter ein, der den Betrieb mehr schlecht als recht führte. Nicht einmal in den Sommerferien fühlte man sich zu dem Landgut im fernen Bordelais hingezogen und fuhr vorzugsweise an den Atlantik oder in die Schweizer Alpen.

Im Herbst 1943 reiste der junge Thierry Manoncourt erstmals zur Traubenlese nach Saint-Emilion und war davon so begeistert, dass er seine Mutter anschließend bekniete, das Weingut um Gottes Willen nur ja nicht zu verkaufen. Nach dem Ende des Krieges schloss Manoncourt zunächst sein Studium als Agrarökonom ab und übernahm 1947, „erst einmal für ein Jahr“, die Leitung von Château Figeac. Dass daraus eine Entscheidung fürs Leben werden sollte, hatte wohl auch mit der Qualität des legendären Jahrgangs 1947 zu tun, den der junge Gutsherr gleich auf Anhieb einbringen konnte. Es folgte eine Reihe überaus erfolgreicher Jahrgänge wie 1949, 1950 und 1953, die es Thierry Manoncourt wirtschaftlich ermöglichten, eine Reihe technischer Innovationen in Weinberg und Keller umzusetzen, etwa die Installation von Edelstahltanks. Dazu zählte auch die Einführung eines so genannten Zweitweins, La Grange Neuve de Figeac. Diese Selektion des Lesegutes führte in den Folgejahren zu einer enormen Qualitätssteigerung des Grand Vin von Château Figeac. Um das Entwicklungspotential der verschiedenen Rebsorten zu ergründen, begann Thierry Manoncourt Anfang der fünfziger Jahre, jeweils dreißig Flaschen Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot sortenrein abzufüllen, um sie in den Folgejahren immer mal wieder mit Fachleuten verkosten zu können.

Im Jahr 1956 heiratete er die aus Issac stammende Marie-France Duboys de Labarre, die ihm fünf Kinder schenkte, vier Mädchen und einen Jungen, Antoine, der im Alter von sechs Jahren im Teich des Châteaus einen tragischen Tod fand.

Der historische Cuvier von Château Figeac

Wir begannen die Besichtigung des Weingutes. Thierry Manoncourt erläuterte ausführlich die Details seiner Weinbereitung. Die selbstverständlich von Hand geernteten Trauben durchlaufen die alkoholische Gärung in großen Holzbottichen und werden danach in funkelnagelneue Barriques umgelagert. „Das machen außer Figeac nur die Premiers Grands Crus Classés des Médoc, also Mouton, Lafite, Latour, Margaux, Haut-Brion und noch zwei weitere Güter so!“

Erstaunt hatte mich seinerzeit, dass Château Figeac über einen ungewöhnlich hohen Anteil an Cabernet-Sauvignon-Reben verfügte, genauer gesagt fünfunddreißig Prozent der insgesamt vierzig Hektar umfassenden Rebfläche. Im Unterschied zur Graves-Region und dem Médoc, wo Cabernet Sauvignon in der Regel die prägende Sorte ist, hat kein anderes namhafte Weingut in Saint-Emilion einen nennenswerten Bestand davon. Fast überall dominiert hier die früher reifende Merlot-Traube, die alkoholreiche und opulente Weine hervorbringt. Davon weichen zwar auch Château Ausone und Château Cheval Blanc ab, jedoch wird hier jeweils etwas mehr als die Hälfte der Rebfläche mit Cabernet Franc bepflanzt und der Rest mit Merlot.

Wir verließen den Barriquekeller und betraten den Weinberg. Thierry Manoncourt hob einen dünnen Kieselstein auf und hielt ihn gegen die Sonne. „Hier gibt es ein ganz besonderes Terroir wie nirgendwo sonst in Saint-Emilion, wo meist lehmige, sandige oder von Kalkstein geprägte Böden vorherrschen. Während der Günz-Eiszeit hat der Fluss Isle diese Kieselsteine aus dem Zentralmassiv angeschwemmt, die sich hier auf einem bis zu sechs Meter starken Plateau abgesetzt haben. Nur wenige Weingüter profitieren von diesem einzigartigen Boden, etwa La Dominique und Cheval Blanc.“ Aha, schon wieder der Nachbar, und es sollte noch deutlicher kommen: „Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie im Weinberg von Château Figeac drei kleine Kieselsteinhügel, unser Nachbar Cheval Blanc hat davon aber nur zwei!“ O je. Nach der Verkostung von zwei Weinen verabschiedete ich mich eilig, um den verabredeten Termin bei eben diesem Nachbarn nicht zu verpassen.

Der nächste Besuch auf Château Figeac stand im November 1983 an, als ich einer gemeinsamen Einladung der Weingüter Léoville-Las-Cases, Lynch-Bages, Domaine de Chevalier und eben Château Figeac folgte, in deren Mittelpunkt das Thema Assemblage stand. Üblicherweise entstehen rote Bordeauxweine aus einer Komposition verschiedener Rebsorten, der Assemblage. Mitunter sprechen die Kellermeister im Bordelais sogar weihevoll von einer Mariage, also von der Vermählung unterschiedlicher Traubensorten.

Thierry Manoncourt präsentierte die sortenreinen Grundweine des gerade vergorenen Jahrgangs 1983. Während der Merlot sich tiefdunkel in der Farbe und vollfruchtig im Geschmack zeigte, erwies sich der weniger wuchtige Cabernet Franc als das elegante Rumpfstück des Weines. Den herzhaften Part spielte eindeutig der Cabernet Sauvignon, der gewissermaßen für den Nachhall am Gaumen sorgte. Eine sehr interessante Demonstration, die durch die Assemblage des 1983er Château Figeac noch verstärkt wurde: tiefdunkle Farbe, distinguiertes Bukett, im Geschmack nachhaltig und elegant zugleich. Ähnlich fiel das Resultat der Detailprobe des Jahrgangs 1978 aus, obschon der Merlot hier als Solist deutlich schlanker ausfiel und dadurch erheblich feingliedriger wirkte. Während der Cabernet Sauvignon sich überaus tanninbetont präsentierte, zeigte sich der nach Minze duftende Cabernet Franc eher von seiner diskreten Seite. Das Ensemble der drei Rebsorten, ergo der 1978er Château Figeac, erwies sich als charaktervoller und langatmiger Wein, dem ich damals locker das Entwicklungspotential von dreißig bis vierzig Jahren zubilligte.

Das stilvolle Entrée des Schlosses

Gleich am Anfang des abendlichen Diners servierte der Hausherr dann das Rebsorten-Trio des Jahrgangs 1952. Hier fand ich den Merlot zwar recht charmant, aber doch schon etwas flüchtig im Charakter, was auch für den immer noch recht ausgewogenen Cabernet Franc galt, während sich der kernige Cabernet Sauvignon eindeutig am besten präsentierte. Nur ihm verdankte der 1952er Château Figeac seine immer noch beachtliche Festigkeit und Frische. Ein gutes Beispiel dafür, weshalb das Festhalten am Cabernet Sauvignon hier durchaus sinnvoll sein kann.

Zum Filet de Boeuf servierte Thierry Manoncourt als formidabler Gastgeber den 1955-er Château Figeac, den er etwa eine halbe Stunde zuvor dekantiert hatte. Im Bukett erinnerte er an vollreife schwarze Johannisbeeren und präsentierte sich ausgesprochen balanciert im Geschmack, der sekundenlang nachhallte. Wer in der Runde glaubte, dass eine Steigerung nun kaum mehr möglich sei, der sah sich getäuscht. Der zum Käse kredenzte 1949er Château Figeac – es war erst Thierry Manoncourts dritter Jahrgang als Jungwinzer – kam einem Wunder gleich: In der Farbe wies dieser ungewöhnliche Wein nur einen zarten Orangerand auf, er entwickelte im Glas ein sehr feines und differenziertes Bukett und zeigte sich im Geschmack überraschend frisch und nachhaltig. Ein geradezu zeitlos schöner Wein!

Der Verkostungssaal von Château Figeac

Bei der Klassifikation von Saint-Emilion wurde Château Figeac im Jahr 1955 als Premier Grand Cru Classé und damit in die Kategorie der zwölf Spitzenbetriebe dieser mit dreitausenddreihundert Hektar größten Appellation Contrôlée Frankreichs eingestuft. Dies war angesichts der Tatsache, dass Château Figeac praktisch über hundert Jahre führungslos gewesen war, ein großer Erfolg für den jungen Schlossherrn, der den Betrieb ja erst 1947 übernommen und auf Vordermann gebracht hatte. Jedoch wollte sich Thierry Manoncourt nie so recht damit abfinden, dass mit Château Ausone und Château Cheval Blanc lediglich zwei Gütern ein Sonderstatus zuerkannt wurde, den man auf dem Etikett an einem kleinen A erkennt, während sich die übrigen zehn Châteaux mit einem B begnügen mussten. Im Unterschied zur einhundert Jahre älteren Klassifikation des Médoc, die bis auf eine einzige Ausnahme – die Mouton-Rotschschild im Jahr 1973 den Aufstieg in die erste Kategorie bescherte – bis heute noch Bestand hat, ist in den Statuten der Klassifikation von Saint-Emilion eine Überarbeitung im zehnjährigen Turnus festgelegt. Für das erste Revirement im Jahr 1969 war dies unproblematisch, weil alle zwölf Premiers Grands Crus ihren Status behielten. Siebzehn Jahre später kam es dann aber zum großen Knall, als man Château Beau-Séjour Bécot zum Grand Cru Classé herabstufte, weil Weinberge hinzugekommen seien, die nicht der Güte des übrigen Terrains entsprächen. Das mutete insofern skurril und geradezu ungerecht an, weil im gar nicht so fernen Médoc ein als Grand Cru Classé eingestuftes Weingut sanktionslos zwanzig Hektar von einem Nachbarn der Kategorie Cru Bourgeois erwerben konnte und diese Rebfläche mit der notariellen Beurkundung von einem vormals Bürgerlichen Gewächs zu einem Grand Cru Classé mutierte, während eine vergleichbare Handlungsweise in Saint-Emilion zum Verlust des bisherigen Status führte.

Nachdem allerdings klar geworden war, dass die Qualität der Bécotschen Weine trotz der Hinzunahme vermeintlich minderwertiger Weinberge nicht nachgelassen hatte, revidierten die strengen Juroren ihre Entscheidung im Jahr 1996 und bescherten obendrein mit Château Angélus erstmals einem Newcomer den Aufstieg.

Die Klassifikationsregeln von Saint-Emilion enthalten nicht nur die Bestätigung der seitherigen Einstufung, sondern neben einem denkbaren Abstieg auch den möglichen Aufstieg in die nächst höhere Kategorie. Im Jahr 1996 hatte Thierry Manoncourt sein Dossier besonders sorgfältig vorbereitet, weil er darin erstmals die Aufwertung zum Premier Grand Cru Classé A beantragte. Umso größer war die Enttäuschung auf Château Figeac, als in einem Brief die Ablehnung mitgeteilt wurde: Zwar habe das Gut nahezu alle Kriterien erfüllt, jedoch sei der vom Markt zugestandene Preis nicht auf dem Level der beiden bislang am höchsten bewerteten Güter. Abgelehnt wurde im Jahr 2006 auch Manoncourts zweiter Antrag, zu dem ihm sein Schwiegersohn Comte Eric d’Aramon, der seit 1992 maßgeblich die Geschäfte auf Château Figeac führt, ohnehin nicht geraten hatte: „Unser Wein war einige Jahre einfach nicht teuer genug!“

Womöglich war auf Château Figeac der Instinkt etwas abhanden gekommen, sich besser den schlichten Regeln des Bordelaiser Marktes anzupassen. Dort gilt nämlich das Prinzip, die Preise in Zeiten der Hausse saftig anzuheben und sie stark zu senken, wenn der Markt dies verlangt. Während Manoncourts Nachbarn die Preise für den allgemein als passabel eingeschätzten Jahrgang 1997 um bis zu fünfzig Prozent anhoben, begnügte man sich auf Château Figeac mit nur fünfzehn Prozent, weil man sich damit „auf die Seite des Verbrauchers“ stellen wollte. Prompt schrieben einige Journalisten, der Wein von Château Figeac tauge nichts! Ähnlich lief es beim allgemein hoch geschätzten 2000er, als die Preise im Bordelais wieder einmal zu explodieren drohten. Während einige Güter ihre Primeurpreise mehr als verdoppelten, beließ man es auf Figeac bei einem äußerst maßvollen Aufschlag von gerade einmal sieben Prozent. Als die Einkäufer dann im Folgejahr für den mittelmäßigen Jahrgang 2001 nur mehr die Hälfte der Vorjahreskurse bezahlen wollten, war diese Forderung für Figeac natürlich völlig inakzeptabel.

Wenige Monate vor Vollendung seines neunzigsten Lebensjahres erfuhr Thierry Manoncourt eine besondere Genugtugung. Beim traditionellen Diner de Collection, das die Premiers Grands Crus Classé von Saint-Emilion im Juni 2007 anlässlich der Weinmesse VinExpo abhielten und dafür ihre Schatzkammern öffneten, wurde am Schluss des Abends der 1950er Château Figeac serviert: Die in der Tat beeindruckende Qualität dieses Weins riss die Gäste spontan von ihren Plätzen; sie erwiesen dem Grandseigneur mit stehendem Applaus ihre Reverenz. An diesem Abend durfte der große alte Mann von Château Figeac seinen Triumph auskosten und seinen Wein als Premier Grand Cru Classé A gewürdigt sehen.

Der verstorbene Grand Seigneur serviert seinen Lieblings-Champagner

Um diesem Gefühl spürbaren Nachdruck zu verleihen, gab Eric d’Aramon, der seit 1987 mit der ältesten Manoncourt-Tochter Laure verheiratet ist, beim Jahrgang 2009 richtig Vollgas. Mit ausdrücklicher Zustimmung seines Schwiegervaters verlangte der Graf für den 2009er Château Figeac en primeur einen Aufschlag von sage und schreibe einhundert Euro gegenüber dem Vorjahr (von 35 auf 135 Euro!), auch „um Figeac an seinen verdienten Platz in der Hierarchie von Saint-Emilion zu führen“. Gewiss hat Château Figeac in den letzten beiden Dekaden keinen eindrucksvolleren Wein hervorgebracht, gleichwohl bleibt abzuwarten, ob der internationale Markt diesen Paradigmenwechsel in Sachen Wertschöpfung nachhaltig stützen wird. Erste Aufschlüsse hierüber dürfte der demnächst publizierte Eröffnungspreis für den Jahrgang 2010 geben.

Nicht erst seit dem Tod von Thierry Manoncourt, der am 27. August 2010, wenige Tage vor Vollendung seines dreiundneunzigsten Lebensjahrs, friedlich entschlafen ist, kursieren Gerüchte, dass Château Figeac auf dem Markt sei. „In zwanzig Jahren wurde Figeac schon zwanzig Mal verkauft …“, sagt Eric d’Aramon mit leicht amüsiertem Unterton. „Fakt ist, dass es nie offizielle Verhandlungen gab!“ Bezeichnenderweise kamen die ersten Kondolenzbriefe von zwei auf den Verkauf von Weingütern spezialisierten Privatbanken und von François Pinault, dem Besitzer von Château Latour, der erst im März 2011 im Rhônetal das kleine, aber feine Château Grillet erworben hat.

Armin Diel vekostete zwölf Jahrgänge von Château Figeac dessen Rebsortiment sich durch einen hohen Anteil von Cabernet Sauvignon von allen anderen Premier Grand Crus von Saint Emilion unterscheidet. Dies führt zu einer ureigenen, eher feinherben Stilistik.

2010 Château Figeac Premier Grand Cru: Tiefdunkles Lilarot, recht verhaltenes Bukett, Anklänge von roten und schwarzen Früchten, deutliche Vanilleprägung, kräftiger Körper, herzhafte Tannine, die im Verlauf der weiteren Reife noch gezähmt werden werden. Idealer Trinkzeitpunkt von 2025 bis 2035, 88 Punkte

2009 Château Figeac Premier Grand Cru: Tiefes Lilarot, duftet nach schwarzer Kirsche und Schokolade, außergewöhnliche Fruchtfülle, schlägt förmlich ein Pfauenrad im Mund, große Eleganz und Länge. Zweifellos der eindrucksvollste Figeac der jüngeren Vergangenheit. Idealer Trinkzeitpunkt von 2020 bis 2040+, 88 Punkte

2008 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne Gelbrand, duftet nach Vanille und Erdbeere, feinstoffiger Körper, unterlegt mit zarter Süße, durch und durch harmonisch, gutes Potential. Idealer Trinkzeitpunkt von 2020 bis 2030, 88 Punkte

2007 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne Gelbrand, wieder der typische Figeac-Duft von Veilchen und Leder, mittelgewichtiger Körper; die Frucht wird derzeit noch etwas durch das neue Holz und die Tannine überlagert. Idealer Trinkzeitpunkt von 2020 bis 2026, 88 Punkte

2006 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne Gelbrand, duftet nach Sandelholz und Holunder, stoffiger Körper, zartsüßliche Frucht, markante Tannine. Hat das Potential, sich zu einem sehr guten Wein zu entwickeln. Idealer Trinkzeitraum 2020 bis 2030, 88 Punkte

2005 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne Gelbrand, duftet nach schwarzer Kirsche und Veilchen,  saftiger Körper mit bestens eingebundenen Tanninen, alles in Samt und Seide. Bester Figeac seit langem! Idealer Trinkzeitraum von 2020 bis 2040, 88 Punkte

2004 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot ohne Gelbrand, duftet nach Veilchen und Leder, feinsaftige Anmutung, deutlich neues Eichenfass. Wieder ein klassischer Figeac aus einem mittleren Jahr, der selten enttäuscht. Etwas kühl im Abklang. Idealer Trinkzeitraum bis 2020, 88 Punkte

2003 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot fast ohne Gelbrand, süßlich anmutender Cassisduft, opulenter Körper, kräftige Tannine, welche die Frucht derzeit dominieren. Wird einige Zeit brauchen, um sich harmonisch zu präsentieren. Idealer Trinkzeitraum von 2018 bis 2025, 88 Punkte

2002 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot mit zartem Gelbrand, verhaltene Tabaknote im Bukett, feste Tanninstruktur, dezente Fruchtsüße, klassischer Figeac eines mittleren Jahrgangs. Idealer Trinkzeitraum bis 2018, 88 Punkte

2001 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot mit zartem Gelbrand, duftet nach Leder und Rosen, zunächst eine recht ansprechende Frucht, angemessene Tannine, feinherbe Ausprägung, am Ende etwas flüchtig und allzu gerbstoffbetont. Idealer Trinkzeitraum bis 2016, 88 Punkte

2000 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot mit zartem Gelbrand, duftet nach Leder und schwarzen Kirschen, feste Frucht, stoffiger Körper, bestens eingebundene Tannine. Dieser kräftige Wein benötigt noch einige Zeit zur Harmonisierung. Idealer Trinkzeitraum: 2020 bis 2030, 88 Punkte

1999 Château Figeac Premier Grand Cru: Kräftiges Rubinrot mit zartem Gelbrand, verhaltener Duft von Tabak und kaltem Kaffee, leichter Lackton, mittelgewichtiger Körper, feste Tannine, herzhafte Ausprägung, strenger Abklang. Idealer Trinkzeitraum bis 2015, 88 Punkte

Erstabdruck in FINE Das Weinmagazin 2|2011

Fotos: BERNDT HOCHMANN